Die große weltweite Nachfrage nach europäischen Kartoffelprodukten lässt vermuten, dass insbesondere Belgien und Holland mindestens so viel produzieren werden, wie im Vorjahr. Da aber diese beiden Länder im letzten Herbst kaum mehr geerntet haben, griffen Frittenhersteller frühzeitig auf Rohwarenimporte zurück. Dabei waren sie nicht wählerisch und kauften alles, was sich zur Herstellung ihrer Produkte eignete. Wie viele Kartoffeln eingeführt wurden, war lange Zeit schwer zu schätzen. Letzte Woche hat der Wallonische Kartoffelverband nun etwas mehr Licht in die Sache gebracht, denn es wurden dort die Kartoffelvorräte bei den Bauern geschätzt. Von in Belgien gewachsenem Rohstoff wurden von November 2016 bis Januar 2017 lediglich 723.000 Tonnen genutzt. Das waren 230.000 Tonnen weniger als im selben Zeitraum im Vorjahr.
Damit ist das Rätselraten über die zugeführten Mengen zumindest für Belgien gelüftet. Vielfach wurden Speisekartoffeln oder sogenannte Zweinutzungssorten für die Produktion von Pommes frites verwendet. Nach der Bestandserhebung in der ersten Februarwoche sollen in Belgien mit 2,11 Mio. Tonnen 37.000 Tonnen mehr Kartoffeln bei den Bauern lagern. Im Vorjahr waren es zu diesem Termin 2,41 Mio. Tonnen und das war die größte Menge der vergangenen Jahrzehnte, schreibt die AMI in ihren Freitagsbericht.
Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren ist aber der Bestand an freien Kartoffeln ziemlich klein. Geschätzt wird, dass das nur gut 600.000 Tonnen sein sollen (Vorjahr: 857.000 Tonnen). Die Vertragsmenge, auf die die Verarbeiter einen Anspruch erworben haben, ist dem Verband zufolge mit 1,497 Mio. Tonnen so hoch wie nie zuvor.
Bekanntlich ist die Qualität der Kartoffeln in dieser Saison viel schlechter als üblich. Dieses Risiko haben die Verarbeiter aber mit den Vorverträgen bei den Landwirten belassen. Experten gehen davon aus, dass große Mengen der frei verfügbaren Kartoffeln für die Vertragserfüllung verwendet werden müssen, falls sich bei der Auslagerung herausstellt, dass sich die Kartoffeln nicht gehalten haben. Von den hohen Notierungen für Kartoffeln hat kaum ein belgischer Bauer etwas.
Dass die Marktphantasie für steigende Preise sehr begrenzt ist, zeigte sich in den letzten beiden Monaten auch an der Terminbörse in Leipzig, wo sich die Kurse des April-17-Termins eng an dem aktuellen Index für Veredelungskartoffeln orientierten. Seit Bekanntwerden der überraschend hohen Vorräte in Belgien hat sich das Blatt aber gewendet, denn der Börsenkurs ist bereits am Donnerstag unter Druck geraten und hatte am Freitag zum Handelsschluss eine negative Basis von 1,8 €/dt zum April-17-Termin.
Am Kassamarkt sind die Preise aber bisher noch stabil, denn der EEX-Index für Kartoffeln blieb seit drei Wochen bei 25,6 €/dt und damit auf dem höchsten Niveau seit Anfang Juni 2013. Möglicherweise müssen wir wieder lange auf solch hohe Kartoffelpreise warten, wenn man die Warnungen der North-West-European-Potato-Growers (NWPG) erst nimmt. Sie weisen in einem Bericht in dieser Woche auf die Risiken für den Anbau von Frittenrohstoff 2017 hin. Zwar sei das Saatgut der bevorzugten Sorten knapp (und teuer), weshalb die Analysten nicht von einer Flächenausweitung ausgehen, sie stellen aber heraus, dass schon bei nur durchschnittlichen Erträgen der Bedarf der Verarbeiter gut gedeckt sei. Wenn es zu weiteren Flächensausweitungen kommen sollte, wären Preise wie in den letzten beiden Jahren unwahrscheinlich, denn die Frittenhersteller böten attraktive Verträge an, die wohl von den Landwirten auch genutzt werden. Mit Preissteigerungen von 1 bis 3 €/dt sind Anbauanreize im Markt, die den Trend zu noch mehr Vorverträgen aufrechterhalten werden.
Sollten in den kommenden Wochen die Absortierungen aus den Lagerkartoffeln aber größer sein und die Auspflanzungen für die ersten Frühkartoffeln sich verzögern, dann könnten bis Juni die Kassapreise noch weiter anziehen, bevor sich dann im Sommer ein neuer Markt entwickeln muss.
Wie groß die Ertragsschwankungen sein können, wissen Sie meist aus eigener Erfahrung. Im indischen Bundesstaat Punjap spüren das die Kartoffelbauern in diesen Tagen besonders stark, denn dort sind nach zwei Jahren mit schwachen Erträgen und hohen Preisen in diesem Jahr 20 % höhere Kartoffelerträge zu erwarten und die Preise stürzen ab. Die Erntemenge wird dort auf 4,3 Mio. Tonnen geschätzt, immerhin 700.000 Tonnen größer als im letzten Jahr. Sie fragen sich, was das mit uns zu tun hat? Indien will gerne nach Russland exportieren und steht dort mit Ägypten in Konkurrenz. Bekanntlich liefert Ägypten, wo der Export der neuen Ernte begonnen hat, auch große Mengen nach Europa.
Joachim Tietjen
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